Der Präparierkurs / Präpkurs
- Medical Sarah
- 4. März 2018
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Sept. 2018

Der Präparierkurs ist wohl mit das Spannendste was einem zu Anfang des Medizinstudiums begegnet. An meiner Universität beginnt er bereits im 1. Fachsemester. Natürlich ist man aufgeregt, schließlich soll man einen echten menschlichen Körper aufschneiden und sich ansehen. Bereits vorher muss man sich das notwendige Material anschaffen, einen Präpkittel, sowie einen Präpkasten, welcher diverse Skalpelle, eine grobe und eine feine Pinzette, sowie noch andere Instrumente beinhaltet.
Die Vorstellung einen toten Menschen vor mir zu haben und ihn zu sehen, beunruhigte mich eher weniger, da ich in meiner Zeit als Krankenschwester auch bereits den ein oder anderen Toten gesehen, teilweise sogar beim Sterben begleitet hatte. Doch würde ich mit meinem weißen Kittel und meinem scharfen Skalpell in der Lage sein in die Haut einzuschneiden?
Am Tag des 1. Präppens gingen wir zusammen mit unserem Tischdozenten in den Präpsaal hinein, bereits vorher hatte es eine Vorlesung dazu gegeben, woher die Körperspender stammten. Es waren Menschen, die eines natürlichen Todes gestorben waren und zuvor freiwillig verfügt hatten, dass ihr Körper an der Uni zu Lehrzwecken verwendet werden durfte.
Als wir den Saal betraten waren alle Körperspender auf den Präpariertischen verteilt und noch zugedeckt. Meine Präpariergruppe sammelte sich um den uns zugewiesenen Tisch und unser Tischdozent forderte uns auf den Körper abzudecken. Zögerlich kam jemand der Aufforderung nach. Unser Körperspender war anders als jeder Tote den ich bis dahin gesehen hatte. Sämtliche Körperbehaarung war abrasiert worden, die Haut war fest, ledrig und blass. Uns wurde gesagt, dass wir uns mit dem Körper vertraut machen sollen, nicht nur anschauen, auch anfassen. Die Gelenke gingen schwer, die Bewegung als Ganzen eingeschränkt. All dies war aufgrund der Fixierung der Leiche mit Formaldehyd. Der Geruch nach Formaldehyd war da, von Anfang an, doch man gewöhnte sich so schnell daran, dass mann ihn nach wenigen Minuten nicht mehr wahrnahm. Viel zu sehr war man abgelenkt davon, ob man irgendetwas außergewöhnliches entdeckte. Vielleicht einen Port? Eine Narbe, die auf eine OP Rückschlüsse zuließ? Dann setzte unser Tischdozent sein Messer an. Er ritzte feine Linien in die Haut, dort sollten wir Schnitte machen und die Haut vom restlichen Körper abtrennen. An einer Stelle demonstriere er wie. Anschließend bekam jeder ein Gebiet zugeteilt und man machte nach, was man gezeigt bekommen hatte.
Man macht seinen ersten Schnitt und vergessen ist die Aufregung vom Anfang in einen Menschen zu schneiden, denn auch wenn der Körper, der vor einem liegt mal lebendig war, so wirkt er in diesem Moment ganz anders. Die Haut fühlt sich nicht wie Haut an und man sieht keinen Oberschenkel, sondern eine Fläche, die es zu untersuchen gilt. Die Neugierde siegt über die Hemmung. Mit jeder Kursstunde wird man vertrauter mit dem Körperspender, immer mehr Strukturen werden freigelegt, die eigenen Präparierfähigkeiten werden besser, eine Art Normalität richtet sich ein. Man freut sich, wenn man eine bestimmte Struktur erkennt und es schafft sie freizulegen, ohne sie zu beschädigen.
Schnell lernt man, dass die Abbildungen aus dem Bildatlas stilisiert sind und in echt doch anders aussehen und jeder Mensch auch anatomische Eigenheiten aufweist. Spätestens kurz vor dem 1. Testat, versucht man so oft wie möglich Zeit am Körperspender im Präpsaal zu verbringen. Denn es bringt wenig, wenn man weiß wie die Strukturen im Bildatlas aussehen, wenn man sie am Menschen jedoch nicht identifizieren kann. Daher ist der Präparierkurs auch von besonderer Bedeutung für das Studium der Medizin. Er zeichnet ein realistisches Bild der Anatomie des Menschen, so wie sie ist. Ich bin dankbar, dass ich so lernen darf.
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